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Stiftung Wagerenhof, Wohnen

Sie haben uns einiges vorgemacht

Caroline Bobek, Unternehmenskommunikation

11. November 2022

Vor anderthalb Jahren waren die beiden neuen Wohnhäuser fertig gebaut. Dadurch veränderte sich für fast alle Wagerenhof-Bewohnerinnen und -Bewohner die Wohnsituation. Colette Rymann zieht Bilanz aus agogischer Sicht.

In den 23 Jahren, die du nun im Wagerenhof arbeitest, war wohl kein Projekt so einschneidend wie «Wagi2021». Welche Gedanken haben dich im Vorfeld beschäftigt?
Am meisten umgetrieben hat mich die Frage, wie wir die Bewohnerinnen und Bewohner einbeziehen können. Wie würden wir sie an dieser grossen Veränderung teilhaben lassen? Würde es gelingen, ihnen und ihren Angehörigen den Gewinn des Projektes zu erklären?

Was waren die Antworten auf solche Fragen?
Wir haben den grossen Umzug sehr früh angekündigt und laufend kommuniziert. Für die Bewohnerinnen und Bewohner mit einfachen Mitteln, wie dem persönlichen Köfferli oder dem Schlüsselanhänger der neuen WG. Die Angehörigen wurden mit Briefen vorinformiert und zu Gesprächen eingeladen. Sehr wichtig war, dass die neuen Dreier-Leitungen, die drei Herzen, den Prozess schon in dieser Phase eng begleiteten.

Es gab bestimmt auch Risiken – wie habt ihr diese abgefedert?
Entscheidend war, dass wir die Zuteilung in die neuen WGs mit einer systematischen Bedarfsanalyse vornahmen. Für jede Person wurde genau das gleiche Verfahren angewendet, das die drei Bedarfsgruppen Begleitung, Betreuung und Pflege vorsah. Verschiedene Kriterien ermöglichten eine individuelle Einordnung. Dabei hatten wir das soziale Gefüge ebenso im Auge wie die persönliche Lebensqualität. Dann haben wir aufgrund des Bedarfs die Teams gebildet. Dabei achteten wir auf Knowhow und Erfahrung. Als Drittes haben wir sichergestellt, dass das Wissen aus der Betreuung in der alten WG in die neue transferiert wird.

Ein Hauptziel war ja, die Zukunft des Wagerenhofs zu sichern. Gab es auch agogische Gründe?
Die betriebliche Notwendigkeit war der Auslöser, aber es gab auch agogische Gründe, die für das Projekt sprachen. Allem voran der gestiegene Pflegebedarf älterer und schwer beeinträchtigter Menschen. Für andere eröffneten die Veränderungen neue Möglichkeiten. Sie waren für jeden einzelnen Menschen im Wagerenhof eine riesige Herausforderung und gleichzeitig eine grosse Entwicklungschance.

«Diese Veränderungen waren für jeden einzelnen Menschen eine riesige Herausforderung. Und gleichzeitig eine grosse Entwicklungschance.»

COLETTE RYMANN, LEITERIN FACHLICHE FÜHRUNG KERNGESCHÄFT UND MITGLIED DER GESCHÄFTSLEITUNG

Kannst du das an einem Beispiel veranschaulichen?
Ich denke an einen Bewohner, der seit seiner Kindheit im Wagerenhof lebt, jahrzehntelang in der gleichen Gruppe, zusammen mit einer anderen Person. Die Analyse hat gezeigt, dass ein anderes soziales Gefüge Entwicklung ermöglichen könnte. Und das hat sich bewahrheitet! Der Bewohner hat in der neuen WG sogar wieder zu sprechen angefangen, ist fröhlich und entspannter als zuvor.

Wie beurteilst du «Wagi2021» heute, anderthalb Jahre später?
Ich finde, dass es sehr gut gelungen ist. Nicht alle waren auf Anhieb glücklich, es gab Tränen, bei den Mitarbeiten- den auch Abgänge, aber die Situation heute ist in meinen Augen sehr erfreulich. Nun geht es um Stabilisierung und Weiterführung des Erreichten im Rahmen des Lebensqualitätsprozesses.

Zum Schluss: Was hat dich bei diesem Projekt am meisten überrascht?
Wie flexibel die Bewohnerinnen und Bewohner damit umgegangen sind (lacht)! Da haben sie uns einiges vor- gemacht.

Das Gespräch führte Veronika Sutter.

Kontinuierliche Entwicklung durch Lebensqualitätsprozess

Die Entwicklung der Bewohnerinnen und Bewohner kann im Rahmen des Lebensqualitätsprozesses gemessen werden.

Das Projekt «Wagi2021»
Im Sommer 2021 erlebte der Wagerenhof eine seiner markantesten Veränderungen: In den neuen Cluster-Wohnungen waren 120 Einzelzimmer bezugsbereit. Alle Wohngruppen wurden nach fachlichen Schwerpunkten mit spezifischen Teams gebildet und im Häusermodell organisiert. Pro Haus übernahm eine Dreier-Leitung die agogische, pflegerische und betriebliche Verantwortung. Rund 190 Bewohnerinnen und Bewohner zogen um, die allermeisten erlebten Veränderung.