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Fachstrategie, Tagesstruktur, Wohnen

Ein Maximum an Lebensqualität ist kein Zufall

Monika Zeller,

14. Januar 2023

Seit vergangenem Mai ist der Wagerenhof das neue Zuhause von Sandra Bachofner. Mit offenen Armen und einem genauen Plan haben die Mitarbeitenden die fröhliche Bewohnerin empfangen.

Mit zwei Kisten voll von Stofftieren, dutzenden Kassetten und genauso vielen Bilderbüchern kam Sandra letzten Frühling nach Uster angereist. Obwohl an den Wänden noch keine Bilder hängen, wirkt ihr Zimmer gemütlich. Auf dem Schreibtisch liegt das eingerahmte Bild der Mutter. «Das isch mis Mami», sagt Sandra und drückt das Bild fest an sich. Hoch oben auf dem Holzschrank thronen lustige Stoffviecher und spähen zum Fenster raus. Sie wiegt eine Stoffpuppe mit baumelnden Beinen und Armen sanft hin und her, dann flüstert sie ihr liebevolle Worte zu. Für Ungeübte sind Sandras Worte teilweise schwer verständlich. Jurek von der Wohngruppe hilft als Dolmetscher. «Dä Papi hät am 9. Mai Geburtstag», sagt Sandra. Ihre Augen strahlen beim Gedanken ans nächste Fest. Geburtstage und Weihnachtsfeste sind heissersehnte Termine. Dank eines sorgfältigen Analyseprozesses (vgl. nachstehend) hat das Intake-Team Sandra einen passenden Platz im Wagerenhof empfehlen und zuweisen können. Sandras Tagesstruktur in der Backstube trägt zur persönlichen Entwicklung bei. Regelmässig packt sie Spitzbuben in Cellophansäckchen ein und verschweisst sie mit der Maschine.

«Wenn unsere Bewohnerinnen und Bewohner am Ende des Tages zufrieden und happy wieder zurück in ihre WG gehen, haben wir das Tagesziel erreicht»,

Alexandra, Backstube


«Ich möcht aber!»

An fünf Tagen pro Woche hat Sandra Anrecht auf Tagesstruktur. Melina ist Sandras Ansprechperson im Atelier. In den ersten Monaten hat sie besonders viel Zeit investiert, um Sandra kennenzulernen. Schnell sei ihr aufgefallen, dass ihre Klientin gerne spreche, die Worte jedoch unverstanden blieben. Um vorzubeugen, dass Sandra nicht plötzlich passiv wird, habe Melina die Unterstützte Kommunikation vorgeschlagen. Mithilfe dieser Methode gelingt es Sandra, sich mit anderen Menschen zu verständigen. Einen ersten persönlichen Wortschatz bestehend aus Sätzen und Bildern haben Melina und Sandra gemeinsam erarbeitet. Kollegin Flavia, Fachmitarbeiterin des Kerzenateliers, hat den Inhalt anschliessend in einem Tablet-PC abgespeichert. Wie intensiv ein solches Hilfsmittel eingesetzt werden soll, sei ein Abwägen, erklärt Melina. Wenn Sandra ihren Willen mit eigenen Worten mitteile, sei dies natürlich vorzuziehen.

Sandra hat an diesem Nachmittag die Wahl zwischen Kerzenetiketten-kleben oder Blumenzupfen. Sie zeigt auf den Arbeitstisch mit den Kerzen und sagt: «Ich möcht aber!». Die Backstube ist ein weiterer Ort, den Sandra innerhalb ihrer Tagesstruktur regelmässig besucht. Mit dem Zeigfinger zeichnet sie einen Kreis auf die Handfläche und sagt: «Zerscht chunnt de Bodä, dänn d’Confi und obä druf de Deckel.» Sandra ist stets motiviert für neue Taten. Am Morgen hilft sie beim Guätslä in der Produktion, am Nachmittag packt sie Spitzbuben in Cellophansäckchen ein und verschweisst sie mit der Maschine.

Gefühlschaos darf auch mal sein

Je nach Gemütsverfassung kann eine Unterhaltung plötzliche Traurigkeit bei Sandra auslösen. «Es gibt Fragen, die gehen Sandra sehr nahe», erklärt Jurek. Wenn Tränen flössen, sei dies nicht sofort ein Grund zur Beunruhigung. Sandra darf ihre Emotionen ausleben. Einzig, wenn sie sich zu lange in eine Situation hineinsteigert, helfen ihr die Betreuenden, aus dem Gefühlschaos wieder herauszufinden. Ein persönliches Dossier gibt Auskunft über Sandras Gesundheitszustand. Die Informationen sind selbstverständlich geschützt und nur jenen Fachpersonen zugänglich, die mit Sandra direkt arbeiten. Die zusammengetragenen  Daten helfen den betreuenden Personen, richtig zu reagieren. Inzwischen lebt Sandra schon ein halbes Jahr im Wagerenhof. Die Mitarbeitenden haben sich in dieser ersten Zeit intensiv mit der neuen Bewohnerin auseinandergesetzt. Auf allen Ebenen und in allen Disziplinen haben sie somit die wichtige Grundlage für eine professionelle Betreuung im Alltag geschaffen. 


Sorgfältige Planung bringt langfristige Zufriedenheit

Die Platzierung einer Bewohnerin oder eines Bewohners verläuft nach einem standardisierten, dreistufigen Prozess:

  • Erstgespräch: Beim Erstgespräch findet das gegenseitige Kennenlernen statt. Im Gespräch wird ermittelt, was der Bedarf der neuen Bewohnerin oder des neuen Bewohners aus medizinischer, pflegerischer und agogischer Sicht ist.

  • Zweitgespräch: Aufgrund der Bedarfsanalyse aus dem Erstgespräch wird ein Vorschlag für die passende Wohnform, die Tagesstruktur sowie den medizinischen Bedarf gemacht.

  • Schnuppern: Der Schnuppereinsatz dauert mindestens zwei Wochen. Nach dem gegenseitigen Kennenlernen und Ausprobieren, ob die Person in das vorgeschlagene Umfeld passt, wird entschieden, ob die definitive Aufnahme erfolgen kann.
     

Sind Sie interessiert an einem freien Wohnplatz? Laura Büeler steht Ihnen gerne zur Verfügung via E-Mail: aufnahmen(at)wagerenhof.ch oder Telefon 044 905 15 00

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